14. Dezember 2022 Betrachtung Weihnachten 2022
Lass mich dein lieber Bruder sein!
In Schleswig-Holstein ist der heilige Vicelin bekannt. Er wurde um 1090 in Hameln geboren und nach dem Theologiestudium 1126 in Magdeburg zum Priester geweiht. 1149 wurde er Bischof von Oldenburg, aber er konnte seinen Bischofssitz aus politischen Gründen nicht einnehmen. Deshalb ging er nach Bosau, wo 1151 eine Bischofskirche gebaut wurde, die nach der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg ihre heutige Gestalt gefunden hat. Dazu gehören auch Malereien an der Brüstung der Empore.
„Jesu du kleines Kindelein, lass mich dein lieber Bruder sein.“ Dieses Gebet unter einer Weihnachtsdarstellung von 1656 schafft eine Verbindung zwischen dem Betrachter und der Krippendarstellung. Bruder und auch Schwester Jesu werden! – das ist die Einladung Jesu an uns alle. Zu den Brüdern und Schwestern zählen die zwei Hirten, die sich an der Krippe versammeln. Es zählen wohl auch die zwei Engel dazu, die sich anbetend und schützend vor das Jesuskind platziert haben und fast den Zugang zum Kind versperren. Auch Maria kniet vor ihrem Kind und hält einen Schleier fest, der wohl sonst über dem Kind liegt, damit es besser einschlafen kann. Wenn auch der Stern eine wesentlich größere Leuchtkraft hat als die Kerze des heiligen Josef, so ist doch seine Kerze der Versuch, hier die Heiligkeit des besonderen Ortes zu betonen, wie wir es tun, wenn wir eine Kerzen zum Gebet anzünden. Es scheint selbst vom Kind ein Licht auszugehen, denn sein Platz ist hell erleuchtet und sogar das Kleid Mariens scheint davon einen Glanz zu bekommen.
An Weihnachten stehen viel Menschen vor den Krippendarstellungen in den Kirchen, auf den Plätzen, in den Schaufenstern und in unseren Wohnungen. Sie zeigen die besondere Zeit an, in der wir uns an die Menschwerdung des Gottessohnes in Bethlehem erinnern und dieses Ereignis mit Liedern und Gebeten feiern. Mit der Fürbitte, die unter unserem Weihnachtsbild zu lesen ist, bleiben wir aber nicht nur vor der Krippendarstellung unbeteiligt stehen, sondern stellen uns zu den zwei Hirten, den zwei Engeln und zu Maria und Josef. Bruder und Schwester Jesu können wir werden, weil Jesus uns dazu eingeladen hat. Es ist nicht unsere Idee und unser Wunsch, sondern alle, die den Willen Gottes tun, nennt Jesus Christus seine Brüder und Schwestern (vgl. Mt 12, 50). Weihnachten ist also mehr als nur ein schönes Fest mit Geschenken und gutem Essen. Es schafft die Möglichkeit, in eine neue Familie eingebunden zu werden – in die Familie Gottes, zu der wir als Brüder und Schwestern gehören.
Der Künstler von Bosau war kein Rubens und kein Rembrandt, aber er hat mit einfachen Pinselstrichen gezeigt, was an Weihnachten möglich und nötig ist: In die Familie Gottes einzutreten und nach dem Willen Gottes zu leben, der uns frei und froh machen soll und kann, denn Gottes Plan haben die Engel auf den Hirtenfeldern von Bethlehem mitgeteilt: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens (Lk 1, 14). Wie wichtig ist dieses Wort angesichts von Krieg und Unfrieden in der Welt. Durch uns kann hoffentlich ein wenig deutlich werden, dass die Engel eine Zusage an die Welt verkündet haben und nicht nur einen frommen Wunsch.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest und die Freude am neuen Leben durch das Kind von Betlehem wünscht von Herzen
Weihbischof Dr. Reinhard Hauke